Nachwuchs gesucht

Ausbildung in der Hansestadt Rostock

Einleitung

Rekordzahlen im Ausbildungsmarkt: Ein Viertel bricht ab


Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und stärkste Wirtschaftsmacht Europas ist Deutschland auch heute noch gut platziert. Doch verbreitet ist seit einigen Jahren der Schrecken vor dem Fachkräftemangel - die Demografie untermauert diese Bedrohung. Allerdings sollten die vermeintlich schlechten Nachrichten im richtigen Kontext betrachtet werden. So ist die Zahl freier Lehrstellen im vergangenen Jahr gestiegen - zum vierten Mal in Folge. Gleich 93 Prozent aller Auszubildenden in der Bundesrepublik haben ihre Abschlussprüfung bestanden, ein Rekord im EU-Vergleich. Ganze 68 Prozent wurden sogar nach der Lehre von ihren Betrieben übernommen.

Das Berufsbildungssystem garantiere für junge Leute eine hohe Beschäftigungsfähigkeit, die Chancen seien selten so hoch gewesen, schreibt die Bundesministerin für Forschung und Bildung, Anja Karliczek im Berufsbildungsbericht 2018. In dem jährlich vom Kabinett verabschiedeten Bericht finden sich, neben positiven Tendenzen wie mehr als 520.000 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen, aber auch auf den ersten Blick schlechte Nachrichten. Von den Ausbildungsverträgen sind etwa 146.000 vorzeitig aufgelöst worden, das entspricht einem Anteil von 25,8 Prozent. Diese Zahl ist damit zum ersten Mal seit 1992 wieder über die Viertelmarke getreten. Als Ausbildungsabbruch definiert die Bundesregierung eine vorzeitige Lösung eines Ausbildungsverhältnisses ohne Erreichen des Ausbildungsziels, also der Prüfung. Ob die Kündigung des Vertrages dabei vom Auszubildenden oder Verantwortlichen des Betriebs ausgeht, ist nicht angegeben.

Der stetig steigende Wert der Abbrecher wurde sehr negativ aufgenommen und steht, wie in den vergangenen Jahren, noch immer im Mittelpunkt der Diskussion um den Berufsbildungsbericht. Ingo Schlüter, der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Nord, fordert die Arbeitgeber auf, schnell zu handeln: Die Lücke der Fachkräfte werde immer größer. Den Spitzenwert der Abbrecher unter den Bundesländern kann Mecklenburg-Vorpommern mit 7629 abgeschlossenen und davon mehr als 3000 abgebrochenen Ausbildungsverträgen vorweisen. Das Statistische Amt M-V zählt damit beinahe 40 Prozent vorzeitig aufgelöste Lehrverhältnisse. Doch ausgerechnet im Berufsbildungsbericht mahnt die Regierung zu Vorsicht bei der Analyse dieser im Bericht „Vertragslösungsquote“ genannten Zahlen.


Ein Video-Interview mit Auszubildenden und Ausbildern der KFZ-Mechatronik.

Situation

Erst Kontextualisierung macht die Statistik


Eine vorzeitige Vertragslösung bedeute so nicht zwingend einen wirklich endgültigen Ausbildungsabbruch. Schlüter vom DGB unterstreicht dies: „Viele Azubis tauchen als Abbrecher in Statistiken auf, obwohl sie nur den Ausbildungsbetrieb oder Beruf gewechselt haben.“ Die Bereitschaft der potenziellen Abbrecher, den Vertrag zu lösen, steigt laut einer Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) außerdem, wenn die sogenannte Angebots-Nachfrage-Relation steigt. Bei der aktuellen gestiegenen Relation von 104,6 (gegenüber 104,2 im Vorjahr) stehen rechnerisch jeweils 100 Bewerbern 104,6 Ausbildungsplatzangebote gegenüber. Dies ist nur eine Erklärung für die Abbrecherzahlen.

So weist der Berufsbildungsbericht auch darauf hin, dass die Abbrecherquoten je nach Profession stark variieren. Eine geringe Attraktivität von Beruf und Lehrkonditionen schreibt das Bundesministerium für Arbeit etwa Fachkräften für Schutz und Sicherheit (50,7 Prozent Abbrecher) und Restaurantfachleuten (50,6 Prozent) zu. Besonders niedrige Quoten finden sich bei Fertigungsmechanikern (7,8 Prozent) sowie der Ausbildung zum Medienkaufmann für Digital und Print (7,5 Prozent). Dies deckt sich bundesweit, in Mecklenburg-Vorpommern und Rostock nicht mit den Berufen, für die am meisten Nachwuchs gesucht wird. Um die Verwechslung zu vermeiden, nennt Thomas Drenckow, Pressesprecher für die Agentur für Arbeit Rostock, als Beispiele Kaufmann im Einzelhandel, Koch und Hotelfachmann. Diese Arbeitsgebiete suchen aktuell in der Hansestadt dringend Auszubildende.


Die Azubis zum Kfz-Mechaniker testen die Blinker. Ausbilder Hartmut Krüger (in der Mitte) unterrichtet Azubis zum Kfz-Mechatroniker.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Auswertung der Abbrecherquote ist das Sammeln dieser Daten. Die Erhebung von abgeschlossenen und beendeten Ausbildungsverträgen liegt in der Regel in der Verantwortung der zuständigen Kammern wie beispielsweise der Industrie- und Handelskammer (IHK). Hintergründe, wie der Wechsel des Betriebs, werden nur sehr selten vermerkt, auch die Arbeitsagentur erfasst diese Angaben nicht. „Ehemalige Lehrlinge ohne Berufsabschluss informieren uns zwar in den Beratungsgesprächen darüber, dass sie eine Ausbildung abgebrochen haben. Allerdings führen wir keine Statistik über die Zahl von Ausbildungsabbrüchen, weil sich gewiss nicht alle von ihnen an uns wenden“, so Drenckow.


Abbruch ist nicht gleich Abbruch


Die Regierung sieht als primären Grund der vorzeitigen Ausbildungsabbrüche schlechte finanzielle Rahmenbedingungen. Elke Hannack vom DGB unterstützt diese Ansicht: „Dort wo die Vergütung besonders niedrig ist, sind die Abbrecherquoten extrem hoch“. Union und SPD planen deshalb eine Mindestvergütung für Lehrlinge. Der Koalitionsvertrag sieht das Inkrafttreten der, bisher vagen, Regelung für den 1. Januar 2020 vor. Viele Verbände aus der Wirtschaft lehnen diese Variante des Mindestlohns für Lehrlinge aber ausdrücklich ab. Es handele sich um einen Eingriff in die Tarifautonomie. Außerdem, so argumentieren Arbeitgeber, steige durch die hohe Angebots-Nachfrage-Relation und gute wirtschaftliche Situation der Bundesrepublik, die Neigung, den Betrieb schon während der Ausbildung zu wechseln, ganz natürlich.

Weitere Hintergründe von Abbrüchen beleuchtet das Projekt PraeLab der Hochschule der Agentur für Arbeit (HdBA) und des EU-Programms für lebenslanges Lernen. Umfangreiche Befragungen der Hochschule ergeben neben der Vergütung viele andere Gründe für die vorzeitige Auflösung eines Arbeitsvertrags. Herausstechen die falsche Berufs- und Betriebswahl, die mangelnde Qualität der Ausbildung und weitere schlechte Rahmenbedingungen wie unbezahlte Mehrarbeit. Das Projekt unterscheidet drei wichtige Wege nach dem Ausbildungsabbruch: 1. Den Abbruch nach oben (Weiterführende Qualifikationswege außerhalb des dualen Systems), 2. Den horizontalen Abbruch (Die berufliche Umorientierung) und 3. Den Abbruch nach unten (Ausstieg aus der Berufswelt).


Eine Bildergalerie zu Auszubildenden im Handwerkerbildungszentrum Rostock.

So sind 60 Prozent der Abbrüche entweder Weg Nummer 1 oder 2 zuzuordnen und werden meist vom Lehrling initiiert. Der Prozess des Abbruchs dauere in vielen Fällen nur zwei Wochen bis acht Monate, eine Zeit, in der Präventionsmaßnahmen schon Wirkung zeigen müssen. Als Lösungen bieten die Forscher der HdBA vor allem die verstärkte Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen und die Schulung der Berufsbildungsverantwortlichen an. Die Bilanz des Projekts: „Interviews bestätigen, dass Ausbilder, Lehrpersonen, Berufsberater und Arbeitsvermittler anfänglich Schwierigkeiten haben, das Thema Identifikation und Beratung von Jugendlichen mit Abbruchrisiken anzugehen, da ihnen die Instrumente und Methoden fehlen.“

Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es ähnliche Ideen, um die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zu stabilisieren. „Schülerinnen und Schüler [...] müssen Gelegenheiten bekommen, verschiedene Berufe kennenzulernen“, sagt Simone Oldenburg, Chefin der Linksfraktion. Obwohl in M-V mit 3356 unbesetzten Stellen (Stand 2017) die Tendenz zum Vorjahr sinkend ist und mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden, waren laut der Agentur für Arbeit etwa 1892 Bewerber ohne Ausbildungsplatz. Ebenso sucht die Handwerkskammer Ostmecklenburg-Vorpommern nach Strategien und unterstützt Bewerber mit verschiedenen Maßnahmen vor und während der Ausbildung. Hauptgeschäftsführer Jens-Uwe Hopf bleibt positiv: „Für die hohe Bildungsqualität im Handwerk sind die duale Ausbildung und die Meisterqualifikation die Erfolgsgaranten. Dies zeigt die niedrigste Jugendarbeitslosigkeitsquote in der EU, die Deutschland mit 6 Prozent aufweist. Im Vergleich dazu Spanien: 34 Prozent, Finnland 18 Prozent.“


Eine 360°-Ansicht der Tischler-Ausbildungswerkstatt im Handwerkerbildungszentrum Rostock.

Statistik

Auszubildende in den zehn am stärksten besetzten Ausbildungsberufen in Mecklenburg-Vorpommern:


Interaktive Grafik. Die Daten stammen aus einer Erhebung des Statistischen Amtes M-V, Stand 2016.


Anteile der Auszubildenden und vorzeitigen Abbrecher verteilt auf die verschiedenen Bundesländer:


Interaktive Grafik. Die Daten stammen aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamts, Stand 2016.


Gründe für einen vorzeitigen Ausbildungsabbruch aus Sicht der Auzubildenden und Ausbilder:


Interaktive Grafik. Die Daten stammen aus einer Erhebung der Europäischen Union, Stand 2010.

Stellensuche



Sie wollen sich vor oder während einer Ausbildung beruflich orientieren? Dafür bietet die Arbeitsagentur allgemeine, persönliche Beratungstermine an. Anfragen nimmt die Agentur für Arbeit Rostock unter Telefon (0800) 4-5555-00 und per E-Mail an Rostock.U25@arbeitsagentur.de entgegen. Alle Informationen sind auch auf der Website unter www.arbeitsagentur.de einsehbar.